Montag, 29. Juli 2013

Korruptions-Affäre Standortmarketing: Rechtsamt des Odenwaldkreises warnte frühzeitig

(54) Korruptions-Affäre Standortmarketing: Rechtsamt des Odenwaldkreises warnte frühzeitig:

(-pdh-) Der Behördenchef des Landratsamtes Odenwaldkreis in Erbach steht derzeit im Focus staatsanwaltlicher und behördenrechtlicher Ermittlungen. 


Landrat Dietrich Kübler wählte die Werbeagentur, die seine Rechtsberater ausgeschlossen hatten + + + Die beauftragte Agentur hatte die Ausschreibungskriterien nicht erfüllt



ODENWALDKREIS / ERBACH. - Gerade hat der Odenwälder Landrat Dietrich Kübler (ÜWG) bei der Kommunalaufsicht eine Selbstanzeige erstattet, um sein Verhalten in der Vergabeaffäre um ein Standortmarketing-Konzept rechtlich überprüfen und nachträglich sanktionieren zu lassen. Das Regierungspräsidium Darmstadt bestätigte den Eingang des Schreibens und lehnte eine weitergehende Würdigung zunächst ab.

Nun werden weitere für den Landrat unangenehme Einzelheiten bekannt. Und zwar über Vorgänge im eigenen Haus. Das Rechtsamt des Odenwaldkreises hatte den Ausschreibungsgewinner beim Standortmarketing-Konzept als Teilnehmer aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen.
Der Landrat ignorierte jedoch die Warnungen aus der eigenen Behörde, deren entsprechendes Schreiben den Medien zugespielt worden ist. Es geht um eine Auftragsvergabe in der Größenordnung von 137.900 Euro aus EU-Fördergeldern (wie http://www.fact-in-deutschland.de bereits berichtete).

Die Odenwald-Regionalgesellschaft (OREG) hatte am 29. August 2011 vom Odenwälder Kreisausschuss den Auftrag erhalten, für das neue Standortmarketing-Projekt des Odenwaldkreises einen passenden und professionellen Auftragnehmer zu finden und die Ausschreibung dafür rechtmäßig zu gestalten.


Um das lukrative Geschäft bewarben sich zwölf Unternehmen. Acht Bewerbungen kamen pünktlich, vollständig und entsprachen den Anforderungen. Davon kamen drei in die engere Wahl, die im Anschluss an die Auswahl ausführlichere Konzeptionen vorlegen sollten, die mit jeweils 5.000 Euro vergütet werden sollten.

Der Favorit des Landrats hatte nach Information aus Teilnehmerkreisen eine unvollständige Bewerbung eingereicht und war in der Endauswahl folgerichtig nicht mehr dabei, was den Behördenchef nicht ruhen ließ.
Er bedrängte die Jury, die von ihm favorisierte Agentur nachzunominieren und nun insgesamt vier Bewerbungen zuzulassen, die aber nur noch je 4.000 Euro für ihre Konzeptionsarbeit bekommen sollten.
Am Ende der zweiten Sichtung waren sich die Juroren der Steuerungsgruppe weitgehend einig und tendierten nach übereinstimmenden Berichten für einen Anbieter aus Höchst.
Wieder handelte es sich dabei nicht um das Unternehmen Lebensform GmbH aus Mossautal/Erbach, das der Landrat, ebenfalls in Mossautal wohnhaft, bevorzugte. Dieses soll nach Aussagen eines Teilnehmers sogar den vierten und damit letzten Platz belegt haben.
Zusammen mit dem ausgewählten Spitzenreiter befand sich Landrats Lieblingsagentur dennoch plötzlich in der übrig gebliebenen Zweiergruppe, die dem Kreisausschuss als finalem Entscheidungsgremium präsentiert werden sollte. Und besaß nach vielfach geäußerter Ansicht der beteiligten Vertreter der Wirtschaft nicht einmal die Kompetenz zur Erfüllung der Aufgaben.

Landrat Kübler hatte zuvor in der Steuerungsgruppe eine Veränderung der Vorgehensweise verlangt. Durch Handaufheben sollte die Zweiergruppe bestimmt werden, damit überprüft werden konnte, ob die Vertreter des Landratsamts und der OREG auch weisungsgemäß für den Favoriten des Landrats abstimmten.

Nicht nur die Wirtschaft, auch der Breuberger Bürgermeister Frank Matiaske (SPD) wies laut Protokoll der Sitzung explizit darauf hin, dass diese Handlungsweise nicht dem vereinbarten Bewertungsverfahren entsprach.
Lebensform GmbH wurde am Ende Sieger, obwohl das Rechtsamt des Kreises den Landrat mit einem Schreiben vom 12. Dezember 2011 nach rechtlicher Prüfung eindringlich aufgefordert hatte: "Dementsprechend ist nach Ansicht des Rechtsamts das Angebot der Firma Lebensform auszuschließen."
Begründet wird diese Auffassung mit dem Hinweis, dass die in der Ausschreibung geforderte Kostenangaben sowie ein konkreter Kosten- und Zeitplan bei der Bewerbung gefehlt hatten. Der fehlende Kosten- und Zeitplan sei auch nicht mit "einer zu bestimmenden Nachfrist" zu heilen.
Ferner heißt es in den Schreiben: "Im Ergebnis weist das Rechtsamt nochmals auf die bestehenden hohen Risiken hinsichtlich einer drohenden Rückforderung der Zuwendung bzw. auf ein hohes Prozessrisiko im Rahmen eines vom unterlegenen Bieter ggf. zu führenden Vergaberechtsstreits hin."

Im Protokoll eines Mitglieds der Steuerungsgruppe lesen sich die Vorgänge indes ganz anders. Wie bereits oben erwähnt, schreibt der Protokollant über die Sitzungen der Steuerungsgruppe: "Die IVO protestiert mehrfach, es kommt zu einem Zerwürfnis zwischen LR (= Landrat Dietrich Kübler - die Redaktion) und IVO (hier = IVO-Geschäftsführer Hermann Braun - die Red.)." Um dann in Protokoll hinzuzufügen: "Die Rechtsabteilung des Landratsamts überprüft den Vorgang. LR Kübler behauptet, alles sei rechtlich i.O. (= in Ordnung - die Red.)".

Das Rechtsamt des Kreises kommt in seiner rechtlichen Bewertung, die der Redaktion vorliegt, auf zwei Seiten jedoch zu völlig anderen Ergebnissen, als der Landrat dem Protokoll zufolge glauben machen wollte.
Nach Ansicht verschiedener Kreispolitiker hat sich der Landrat über alle Maßen zugunsten eines Nachbarn ins Unrecht gesetzt. Die Gründe für das extrem unverständliche Verhalten suchen Presse, Politik und viele Bürger seit Wochen zu ergründen. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelt wegen Verdachts der Vorteilsannahme.
Für den Odenwaldkreis kann es allerdings noch dicker kommen. Dessen Rechtsamt hat bereits im Schreiben vom 12. Dezember 2011 eindringlich davor gewarnt, dass im Falle von Verstößen gegen die Vergabevorschriften die Bewilligung der Fördergelder widerrufen und die Förderungsmittel zurückgefordert werden können.
In Hinblick auf die bekannten Vorgänge bei der Auftragsvergabe führt das Rechtsamt aus: "Es wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass bei einem schweren Verstoß gegen die VOB/VOL der Zuwendungsbescheid grundsätzlich zu widerrufen und die Zuwendung neu festzusetzen (zu kürzen) ist."

Ob die fördernden Institutionen schon bisher so glücklich über die Verwendung ihrer Gelder wären, sei dahingestellt. Denn Insidern zufolge musste bereits ein Großteil der aufwändig und teuer produzierten Werbemittel, Broschüren und Flyer ungenutzt vom Markt genommen und entsorgt werden.

Gründe dafür sind wegen der Affäre entzogene Bildrechte und eine ständige Personalrotation und dadurch falsche Ansprechpartner in den Unterlagen, hervorgerufen durch die Strafaktionen der politischen Führung, beispielsweise wegen "eigenwilligen" Abstimmungsverhaltens der Behördenmitarbeiter bei der Bewerberauswahl.

Ferner werden auf einem der Werbebilder Plastik-Kochlöffel namens Oliver aus heimischer Produktion präsentiert, die man lieber nicht in seine Mahlzeiten stecken sollte. Denn sie hinterlassen nach einer Analyse im Auftrag des österreichischen Magazins "Konsument" die gesundheitsschädliche Substanz Caprolactam im Essen.

"Plastic Planet" Videolink > http://odenwald.tv/video/Der-Sonntagsfilm

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